Baumartenwahl und Standortansprüche

Die Weißtanne (Abies alba)

Betrachtet man die potenzielle natürliche Vegetation Deutschlands gehört die Weißtanne zu den fünf Hauptbaumarten und würde eine Bestockung von 8 bis 15 Prozent einnehmen. Bundesweit zeigt sich jedoch, dass die Weißtanne heute nur noch etwa 1,7 Prozent der Waldfläche einnimmt [2]. Gründe für den Rück­gang der Weißtanne werden darin gesehen, dass die Fichte wirt­schaftlich interessanterund zudem das Verbisspotenzial der Weißtanne sehr hoch ist.

Die schattentolerante Weißtanne ist eine Baumart des Bergmischwaldes. Allerdings braucht sie mindestens eine Vegetationszeit von 3 Monaten und ist insgesamt wärmebedürftiger als die Fichte. Der optimale Standort für die Weißtanne ist gut wasser­versorgt und hat eine hohe Luft­feuchtig­keit. An den Boden stellt sie keine besonderen Ansprüche. Reine Tannenbestände kommen in Naturwäldern kaum vor. Durch ihre Toleranz gegen Seitendruck und Überschirmung ist die Weißtanne eine optimale Mischbaumart zur wirtschaftlichen Aufwertung und Verringerung des Produktionsrisikos gegenüber Reinbeständen [9]. Durch ein anhaltend gutes Wuchs­verhalten erreicht die Tanne im Oberstand starke Wertholz-Dimensionen (nur bei geästeten Tannen!).

In den letzten Jahren erfuhr die Tanne erhöhte Aufmerksamkeit und ist heute zu einem Hoffnungs­träger für den naturnahen Waldbau in Zeiten des Klimawandels, vor allem im mittel­europäischen Gebirgsraum, geworden. Die deutsche Sägeindustrie ist zum Großteil auf die Verarbeitung von Nadelhölzern eingestellt, welche vor allem für Bau, Holzwerkstoffe und Papier verwendet werden. Da ein Wald­umbau zu Lasten der Fichte großflächig unabdingbar ist, wird nach einem Weg gesucht, auch weiter­hin ausreichend Nadelhölzer zu produzieren [6]. Hier stellt die Weißtanne eine geeignete Alternative dar, da die Holzeigenschaften der Weißtanne vergleichbar mit denen der Fichte sind. Für einige Verwendungsgebiete bietet die Weißtanne durch ihre Harzfreiheit und gute Tränkfähigkeit (z.B. Öle, Wachse) sogar bessere Eigenschaften als viele andere Hölzer. Die Biege- und Druckeigenschaften ähneln denen der Fichte und machen das Holz der Weißtanne zu einem gut geeigneten Kons­truktionsholz [7].

Zu den wichtigsten Rindenbrütenden Käfer an Weißtanne zählen der Krummzähnige Tannen­borkenkäfer und der Weißtannenrüsselkäfer. Beide Arten sind auf vorgeschädigte Tannen angewiesen und besitzen das Potenzial zur Massenvermehrung. Ähnlich wie Buchdrucker und Kupferstecher an Fichte, tritt der Tannenborkenkäfer insbesondere nach Trockenstress-Ereignissen auf und kann bei für ihn optimalen Bedingungen auch gesunde Tannen befallen.

Die Tannentrieblaus wurde ab 1840 nach Mitteleuropa eingeschleppt und bildet sowohl rinden- als auch nadelsaugende Formen aus. Der Befall der Triebe ist für die Bäume folgenreicher, da die betroffenen Triebe bei hoher Befallsdichte absterben können. Bei einem mehrjährigen Befall können junge Tannen vollständig absterben.

Die Tannen-Rindennekrose ist eine Komplexkrankheit an der mehrere Schadfaktoren beteiligt sind. Die Eintrittspforte für den Rindenpilz wird durch die Einstichkanäle der Tannenstammlaus gebildet. Nach Eintritt des Rindenpilzes befällt dieser den Baum parasitär und verursacht schwerwiegende Schäden am Kambium. Im Krankheitsverlauf der Tannen-Rindennekrose wird häufig der Weißtannenrüsselkäfer als Folgeschädling beobachtet.

Der Tannenkrebs befällt verschiedene Tannenarten und wird von einem Rostpilz verursacht der im Frühjahr die jungen Nadeln infiziert und sich in das Kambium ausbreitet. Charakteristisch sind die krebsartigen Wucherungen oder die Ausbildung eines „Hexenbesens“. An Ästen und Zweigen sind die Wucherungen unproblematisch, am Stamm führen sie jedoch zu einer dauerhaften Holzentwertung.

Eine bevorzugte Futterpflanze von Schalenwild ist die Weißtanne und macht sie somit anfällig für Verbiss. Die Tanne hat verglichen mit der Fichte einen hohen Nährstoffgehalt bei einem vergleichsweise geringen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen, die verdauungshinderlich wirken und somit als natürlicher Verbis­­sschutz. Die Natürliche Verjüngung und auch die Pflanzung gelingen oft nur dann, wenn aufwendige Schutzmaßnahmen ergriffen werden und eine starke Bejagung des Schalenwildes statt­findet [3].

Wie der Klimawandel genau aussehen wird ist nicht sicher, aber es ist wahrscheinlich das in Deutschland künftig die Sommermonate von höheren Temperaturen verbunden mit Niederschlagsrückgang (verglichen mit 1961-1990) geprägt sind. Dazu werden vermutlich verstärkt Stürme mit extremen Windgeschwindigkeiten auftreten [4].

Verringerter Niederschlag und höhere Temperaturen führen dazu, dass viele Nadelbaumarten unter Stress geraten. Während die Reaktion der Fichte auf Trockenstress weitestgehend bekannt ist, ist die Reaktion der Tanne größtenteils noch unerforscht. Zu vermuten ist, dass die Weißtanne durch ihr Pfahlwurzelsystem tiefer in die Böden eindringt und somit bei Trocken­ereignissen länger mit Wasser versorgt ist als die Fichte mit ihren oft flachstreifenden Wurzeln. Bekannt ist, dass das Sturmwurfrisiko der Weißtanne etwa fünfmal geringer als das der Fichte ist und nur halb so hoch wie das der Lärche bzw. Kiefer. Grund dafür ist auch hier das Pfahlwurzelsystem welches die Weißtanne ausbildet [5,8].

Wie gut die Weißtanne für den Waldbau der Zukunft geeignet sein wird lässt sich mit den Klimahüllen nach Kölling (siehe Abbildung 1) darstellen. Auf der X-Achse ist die durchschnittliche Jahres­niederschlagsumme in mm ab­ge­bildet. Die Y-Achse zeigt die durch­schnittliche Temperatur in Grad Celsius. Die grüne Fläche grenzt die Gegebenheiten ab, die ein Wachstum der Tanne möglich machen. Während das Klima der Gegenwart (gelbe Punkte) für die Weißtanne meist gute Wuchsbedingungen bietet ist deut­lich zu erkennen, dass das Klima der Zukunft (rot) in einigen Wald­flächen zu warm und zu trocken sein wird. Zu beachten ist, dass die Klimahüllen ein erstes Hilfsmittel bei der zukünftigen Baumartenwahl darstellen und nicht alle beeinflussenden Faktoren in Betracht ziehen.

Abbildung 1: Klimahülle nach Kölling 2007

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Küstentanne in Europa angebaut. Ähnlich wie bei der Douglasie werden Küsten- und Inlandsherkünfte unterschieden und spielen beim Anbau eine entscheidende Rolle. Sie ist eine Standorttolerante Baumart und kommt nur auf sehr kalkhaltigen, flachgründigen Böden nicht zurecht. Mit der richtigen Herkunft ist sie selbst an ein Klima mit starker Sommertrockenheit gut angepasst. Die Küstentanne ist eine der schnellwüchsigsten und größten Tannenarten. Dies und die anscheinende Angepasstheit an den sich abzeichnenden Klimawandel machen die Küstentanne interessant für Waldbesitzerinnen und –besitzer.

Wie unsere heimische Weißtanne kommt die Küstentanne in ihrer Heimat vor allem in Mischbeständen vor; Reinbestände sind selten. Die Küstentanne ist eine Halbschattenbaumart mit raschem Jugendwachstum. Während sie in der Jugend mit Überschirmung gut zurechtkommt, benötigt sie im Alter zunehmend mehr Licht.

Bei fremdländischen Baumarten treten biotische Probleme meist verzögert auf, daher ist es kaum verwunderlich, dass es zu Schadereignissen an der Küstentanne in Deutschland kaum Erfahrungen gibt. Die Literatur weist auf eine erhöhte Anfälligkeit der Küstentanne gegenüber Stamm- und Wurzel­fäuleerregern hin. In der Anwuchsphase ist sie sehr empfindlich gegenüber Spätfrost und Trockenheit.

Das Holz der Küstentanne ist sehr hell, harzfrei und ohne ausgeprägte Kernfärbung. Negativ fallen die nicht vorhandene Witterungsfestigkeit und die wenig vorhandene Beständigkeit gegenüber Insekten- und Pilzbefall auf. Holztechnologische Untersuchungen haben ergeben, dass das Holz der Küstentanne unter dem Niveau der Fichte liegt. Verwendungsmöglichkeiten sind Industrieholz, Konstruktionsholz im Innenausbau aber auch Kisten und Verpackungen. Unter Berücksichtigung wahrscheinlich ab­nehmender Verfügbarkeit von Fichte, kann die Küstentanne für einige Produktsegmente durchaus eine Alternative darstellen [10].

1. Die Weißtanne (Abies alba) (2004): Koni Hähne; verfügbar unter: https://www.waldwissen.net/wald/baeume_waldpflanzen/nadel/wsl_weisstanne/index_DE

2. Welches sind die wichtigsten Baumarten?; verfügbar unter: https://www.bundeswaldinventur.de/

3. Zur Waldschutzsituation der Weißtanne (2014): Redaktion waldwissen.net – LWF, verfügbar unter: https://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/schaden/lwf_waldschutz_tanne/lwf_waldschutw_tanne_DE

4. https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/folgen-des-klimawandels/klimamodelle-szenarien/erwartete-klimaaenderungen#textpart-1

5. Heimische Weißtanne sehr trockenresistent (2015): Silvio Schüler, Marianne Schreck; verfügbar unter: https://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/waldbau/genetik/bfw_tanne_trockenstress/index_DE

6. Nadelholz – ein wichtiger Rohstoff; verfügbar unter: https://www.saegeindustrie.de/sites/index.php

7. Forum Weißtannen e.V., http://www.weisstanne.info/index.php/de/

8. Die Weißtanne als Hoffnung im Klimawandel: Berthold Heinze; verfügbar unter: https://www.waldwissen.net/wald/baeume_waldpflanzen/nadel/bfw_weisstanne/index_DE

9. Paläoökologie sieht Zukunft in der Weißtanne: Georg Frank und Richard Büchsenmeister ; verfügbar unter: https://www.waldwissen.net/wald/baeume_waldpflanzen/nadel/bfw_weisstanne_klimawandel/index_DE

10. Die Große Küstentanne (Abies grandis): Werner Ruhm; verfügbar unter: https://www.waldwissen.net/wald/baeume_waldpflanzen/nadel/bfw_kuestentanne/index_DE