Komplexkrankheiten

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Rosskastanien-Sterben

Seit 2007 ist in Deutschland das bakterielle Rosskastanien-Sterben als neue Krankheit bekannt, die Bäume jeglichen Alters befällt. Ausgelöst wird sie von dem Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi. Die Krankheit äußert sich im Absterben der Baumrinde oder in Sekundärinfektionen mit unterschiedlichen Pilzarten, die zum Absterben des ganzen Baumes führen können. Aufgrund der schnellen Ausbreitung nehmen Forscher eine Krankheitsübertragung über die Luft und den Niederschlag an. Bei weißblühenden Kastanien steht zudem die Rosskastanien-Miniermotte im Verdacht, die Bäume über Jahre hinweg zu schwächen und somit für neue Krankheitserreger anfällig zu machen. [1]

Beim Rosskastanien-Sterben handelt es sich deshalb um eine Komplexkrankheit, weil das Bakterium selbst keinen großen Schaden anrichtet, aber buchstäblich Pilzen die Eintrittspforten öffnen. Diese siedeln sich gerne im Baum an und zerstören das Holz sowie die Leitbahnen.[1]

Ist ein Baum mit dem Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi befallen, werden im ersten Schritt schwarze Stellen am Stamm erkennbar, der Baum blutet und großflächige Verfärbungen an der Rinde werden ausgebildet. Die Eintrittspforten am Stamm dienen Pilzen im zweiten Schritt dazu, sich anzusiedeln. Gegen Herbst sind die Pilze einfach zu erkennen, wenn sie ihre Fruchtkörper aus dem Stamm schieben. Auch im Winter - ohne Belaubung der Kastanien - ist ein Pilzbefall gut erkennbar. Durch die Spannungen im Holz bilden sich mit dem Ausbreiten des Pilzes in der Rosskastanie tiefe, senkrecht verlaufene Risse, durch welche die Krone zunehmend nicht mehr mit Nährstoffen und Wasser versorgt werden kann und somit Teile von ihr im fortgeschrittenen Stadium absterben.[1]

Auch kann es bei Bäumen, an denen bereits Pilzkörper sichtbar sind, das Holz bereits massiv von Weißfäule zerfressen ist und sie in schlimmen Fällen aus Verkehrssicherungsgründen gefällt werden müssen.[1]

RESISTENTE BÄUME

Immer wieder fällt es auf, dass stark befallene Bäume jahrelang neben völlig gesunden Kastanien stehen. Die Frage, welche Ursache dieser Zwiespalt hat, ist heiß diskutiert. Die Nährstoff- und Wasserspeicher im Boden ändern sich kleinräumig oft stark. Das ist eine Erklärung, warum manche Gebiete von der Krankheit verschont bleiben. Gleichzeitig gibt es beispielsweise Alleen, bei denen nur wenige, gesunde Bäume stehen. Hier scheinen eher die Gene eine Rolle zu spielen. Resistente Individuen sichern schon bei anderen Krankheiten den Fortbestand der Baumarten. Die Forschungen in diese Richtung laufen auf Hochtouren.

NEUE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN?

Im Jahr 2011 fanden Forscher an der Universität in Wageningen in den Niederlanden heraus, dass das Bakterium empfindlich auf hohe Temperaturen reagiert. Sie behandelten junge Bäume mehrere Tage mit einer Temperatur von 39°C. Nach dieser Zeit starben alle Bakterien ab. Den Bäumen schadet die Behandlung nicht, da die Temperaturen keine kritischen Werte erreichen. Auch im Freilandversuch mit großen Bäumen schnitt die Methode gut ab. Es wird ein Mantel um den Baum aufgebaut, der über Tage hinweg die hohen Temperaturen aufrecht erhält. Auch hier starben die Bakterien ab. Bleibt lediglich die Frage, ob eine Behandlung ausreicht um den Baum zu heilen. Oder ist nötig, die Prozedur in bestimmten Zeitabständen zu wiederholen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass das Bakterium seinen Baum nach der Behandlung aus der Luft oder unbehandelten Teilen des Baumes wieder neu besiedeln kann. All diese Fragen wird das Monitoring der behandelten Bäume in den nächsten Jahren klären.

Handlungsempfehlungen in der Stadt

Beste Prävention scheint es zu sein, die Vitalität der Rosskastanien zu stärken. Hierzu gehören neben einer guten Wasserversorgung – vor allem in Trockenphasen – auch eine ausreichende Nährstoffversorgung und die Stressvermeidung durch beispielsweise Bodenverdichtung oder Wurzelverletzungen. Baumpflegemaßnahmen sollten auf ein Minimum beschränkt werden.

Es sollten so viele gesunde Rosskastanien wie möglich erhalten werden, insbesondere vitale Bäume können lokale Stammschäden abschotten und sich revitalisieren. Altbäume widerstehen dem Erreger deutlich besser als Jungbäume, die häufig nach wenigen Jahren absterben.

Mit dem Bakterium infizierte Bäume sollten aus heutiger Sicht nur dann gefällt werden, wenn nachfolgende Erreger den Baum befallen und die Verkehrssicherheit gefährdet ist. Dann sollte infiziertes Material möglichst in geschlossenen Behältern oder abgedeckt abgefahren und anschließend verbrannt oder zuverlässig kompostiert werden (Erhitzung auf über 60 °C nötig). Hacken oder Schreddern gilt es zu vermeiden; Werkzeuge müssen desinfiziert werden.

Von Neu- oder Nachpflanzungen von Rosskastanien an Stressstandorten im städtischen Grün ist abzuraten. Als Ersatz eignen sich z.B. Vogelkirsche oder Esskastanie gut.

Bekämpfung und Ausblick

Aufgrund seiner endophytischen Lebensweise lässt sich das Bakterium von außen schlecht kontrollieren. Es stehen keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung zur Verfügung. Forschungen haben ergeben, dass eine zweitägige Wärmebehandlung bei 39 °C ausreichend ist, um Pae zu inaktivieren, während die Wirtspflanze minimal beeinflusst wird. Eine praxistaugliche Anwendung ist derzeit noch nicht auf dem Markt.

Die Krankheit ist sehr ernst zu nehmen, auch wenn es Hinweise auf eine gewisse Resistenzhäufigkeit in der natürlichen Rosskastanienpopulation gibt. In den kommenden Jahren ist mit einer Ausweitung des vom Rosskastanien-Sterben betroffenen Schadgebiets zu rechnen. Im Stadtbild, in Parkanlagen, Biergärten und als Straßenbegleitgrün wird die Rosskastanie seltener werden.

[1] Marina Winkler: "Kastanie in Gefahr - Pseudomonas Syringae: Bakterielles Rosskastaniensterben", Online auf baumpflegeportal.de, Zugriff am 28.09.2020

[2] Rosskastanien-Sterben im städtischen Grün, Online auf waldwissen.net, Zugriff am 28.09.2020