Komplexkrankheiten

Dies ist eine alte Version des Dokuments!


Schleimfluss an Bäumen

Allgemein sind die verschiedenen Schleimfluss-Symptome an Bäumen schwierig einzuordnen. Nachdem man sie lange vorrangig mit einer Gruppe pflanzenschädigender Eipilze, den Phytophthora, assoziiert hat, werden heutzutage immer öfter auch weitere Ursachen für die beobachteten Symptome erkannt. Mittlerweile ist man zu der Erkenntnis gelangt, da Feuchtigkeitsaustritte an Bäumen im Wald keine Seltenheit sind, dass sie in den meisten Fällen auf komplexen Krankheitsbildern basieren. Auch wenn die Gänze der verschiedenen Wirkmechanismen noch lange nicht aufgedeckt sind, entwickelt sich das Verständnis dieser Symptomatik fortlaufend weiter.[1]

Schleimfluss wird also durch verschiedene Mechanismen ausgelöst. Dabei genügt in einigen Fällen die Infektion mit einzelnen Organismen, um Schleimfluss auszulösen, in den meisten Fällen jedoch scheinen noch andere Bakterien mitzuwirken. Gelangen diese unter die Rinde, um sich zu vermehren und zu fermentieren, wird dadurch das Holz aufgeweicht und Kohlendioxid erzeugt. Durch das Gas entsteht im Holz Druck, aufgrund dessen der Saft durch Risse an die Oberfläche gedrückt wird. Hier siedeln sich dann zahlreiche Mikroorganismen an und bewirken durch ihre Vermehrung, dass der Saft zähflüssiger d. h. zum Schleimfluss wird.[1]

Abiotischer Stressfaktoren wie bspw. Trockenheit, Frost oder Hitze werden zunehmend als bedeutend für die Krankheitsanfälligkeit von Bäumen erkannt. Zudem lassen sich immer mehr Bakterien als Krankheitserreger nachweisen. Das sich abzeichnende Zusammenspiel verschiedener Faktoren und Schaderreger ist typisch für Komplexkrankheiten und Schleimfluss dabei nur ein Symptom unter vielen. Seitens der Forschung ist noch nicht vollumfänglich geklärt, wie genau die einzelnen Faktoren aufeinander wirken.[1]

  • Bergahorn - Zeigt diese Baumart Schleimfluss, tragen (neben Bakterien) zumeist auch abiotische Faktoren zur Entstehung der Symptome bei.[1]
  • Eiche - Der Schleimfluss kann, aber muss nicht im Zusammenhang mit einem Phytophthora-Befall stehen. Teilweise wurden an betroffenen Eichen (zudem) die beiden Bakteriengattungen „Brenneria sp.“ und „Erwinia sp.“ festgestellt und da sie auch bei Nussbäumen mit Schleimflusssymptomen auftreten, scheinen sie zumindest zum Schleimfluss beizutragen. Anzeichen eines Bakterienbefalls sind dunkler Schleimfluss und vertikale Risse mit totem, nässendem Holz unter der Rinde. Befälle wurden meistens an ausgewachsenen Trauben-, Stiel-, Flaum- und Roteichen sowohl an gepflanzten als auch an naturverjüngten Bäumen gefunden. Eine Verlichtung durch astweises Rücksterben der Krone wird erst im fortgeschrittenen Stadium sichtbar, aber nur die Bakterien bringen einen Baum vermutlich nicht zum Absterben. Dazu bedarf es der Kombination mit anderen Faktoren, z. B. Verletzungen am Stamm, Trockenheit, Frostereignisse, starke Schwankungen von Umweltfaktoren allgemein oder auch die Besiedlung durch Sekundärschädlinge. [1]
  • Nussbaum - Hier verursacht das Bakterium „Xanthomonas arboricola pv. juglandis“ den Schleimfluss. Allerdings wurden zusätzlich die Bakteriengattungen „Brenneria sp.“ und „Erwinia sp.“ - wie zum Teil bei Eichen mit Schleimfluss. Fraglich ist, ob sie beim Nussbaum Sekundärbesiedler oder (Mit-)Verursacher der Schleimflusssymptome.[1]
  • Rosskastanie - Die Schleimflusssymptome ließen sich auf eine bakterielle Infektionen mit „Pseudomonas syringae pv. aesculi“ zurückführen - teilweise trat diese in Kombination mit Phytophthora-Arten auf. Unklar ist, ob und wie genau beide Arten aufeinander wirken.[1]

Die seitens des Waldschutz Schweiz dokumentierte Fälle bilden die Diskussionsbasis der verschiedenen Ursachen von Schleimflusssymptomen:

Phytophthora - Verschiedene Arten dieses Pilzes lösen Schleimfluss an Bäumen aus, u. a. Phytophthora plurivora, Phytophthora cambivora, Phytophthora cactorum, Phytophthora cinnamomi und Phytophthora ramorum. Sie können vollkommen gesunde Bäume angreifen und die Vitalität beeinträchtigen.[1]

Bakterien - Erstmalig im Frühjahr 2017 wurden in der Schweiz die Bakterien Brenneria goodwinii, Gibbsiella quercinecans und Rahnella victoriana an Traubeneichen nachgewiesen. Dass die Bakterien Brenneria goodwinii und Gibbsiella quercinecans den Schleimfluss verursachen belegte eine Studie mittels Inokulationsversuchen, d. h. dem absichtlichem Einbringen von Krankheitserregern. Unklar blieb die Rolle der dritten Bakteriengattung Rahnella victoriana. Auch lässt sich die Involvierung weiterer Bakterienarten nicht ausschließen. Einen Befall mit den 3 erstgenannten Bakterien kann man inzwischen dank einer molekularen Nachweismethode der Spezialisten an der Eidg. Forschungsanstalt WSL schnell und zuverlässig erfassen. Es wird angenommen, dass die Bakterien bereits geschwächte Bäume besiedeln und die fortschreitende Vitalitätsabnahme beschleunigen.

Es handelt sich demnach um eine Komplexerkrankung, zu der biotische und abiotische Faktoren beitragen. Das stützen auch Studien aus Grossbritannien, welche einen Zusammenhang zwischen den Bakterien und dem Zweipunktigen Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus) sehen. Auch in der Schweiz ist dieser Käfer heimisch, Schäden sind jedoch selten. Der genaue Zusammenhang ist noch nicht vollständig verstanden.

Weitere Ursachen

In der Schweiz gibt es einige weitere Pilze und Bakterien, die Schleimflusssymptome hervorrufen können (Tab. 3).

Tab. 3 - Nicht abschliessende Zusammenstellung von Pilzen, die Schleimfluss auslösen können.

Zusammenstellung von Pilzen, die Schleimfluss auslösen können

Viele dieser Erreger verursachen allein keine tödliche Erkrankung, wenn nicht weitere nachteilige Gegebenheiten hinzukommen. Abiotische Faktoren wie Trockenstress, Frostereignisse oder Hitze machen einen Baum anfällig für eine Besiedelung durch Schadorganismen und für eine nachfolgende Erkrankung.

An der Buche ist die Buchenrindennekrose bekannt, zu deren Ursachenkomplex neben biotischen Faktoren (Nectria coccinea, Cryptococcus fagisuga) auch Trockenperioden gehören, die sich negativ auf den Wasserhaushalt auswirken. Die Krankheit verläuft für den Baum nicht in jedem Fall tödlich.

Auch Pezicula-Krebse an Roteiche und Symptome durch Anthostoma decipiens werden durch krankheitsfördernde abiotische Faktoren begünstigt. Beim Ahorn kann bei einem Befall einer Nectria-Art, in Verbindung mit einer abiotischen Vorschädigung, Schleimfluss auftreten (Abb. 3). Teilweises, durch Nectria sp. ausgelöstes Absterben der Rinde mit Schleimfluss tritt nicht nur bei Ahorn, sondern auch bei Buche, Birke und Erle auf.

Schleimfluss und Nekrose durch Pilzerkrankung an Bergahorn Schleimfluss durch Bohrtätigkeit des Asiatischen Laubholzbockkäfers

Abb. 3 - Schleimfluss und Nekrose durch Pilzerkrankung an Bergahorn, Kanton Aargau. Foto: Waldschutz Schweiz (WSL) Abb. 4 - Schleimfluss durch Bohrtätigkeit des Asiatischen Laubholzbockkäfers, Kanton Aargau. Foto: Waldschutz Schweiz (WSL)

Neben den genannten Pilzen können Feuerbrandbakterien (Erwinia amylovora) Schleimfluss auslösen. Betroffen sind unter anderem Vogelbeere, Weissdorn und Zwergmispel. Zudem gehört Schleimfluss zu den möglichen Begleitsymptomen von Nasskernen. Die dunkel gefärbten und sehr nassen Zonen im Kern und inneren Splintholz sind stets mit Bakterien assoziiert. An Bäumen mit ausgedehnten Nasskernen tritt teilweise Feuchtigkeit durch Rindenspalten nach aussen.

Die Bohrtätigkeit von Insekten, durch die Bakterien und Pilze in den Baum transportiert werden können, ist eine weitere mögliche Ursache für Schleimfluss (Abb. 4). Beispiele dafür sind der Kleine Buchenborkenkäfer (Taphrorychus bicolor), der Pappelbohrer (Saperda calcarata) oder auch Cryptorhynchus lapathi an Pappel und Weide.

Zwar gewinnen die Komplexkrankheiten an Bedeutung, doch oft sind die komplexen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen beteiligten Organismen sowie zwischen abiotischen Faktoren und Organismen nur wenig untersucht. Die Ansatzpunkte für Managementstrategien fehlen daher.[1]

[1] Schleimfluss an Bäumen Online auf waldwissen.net, Zugriff am 30.09.2020